Samen für die Welt

Laudatio von Dr. Achim Block für den Preisträger Stefan Liebig

Alexanderpreis2019 39Der Artikel "Samen für die Welt" vom Autor Stefan Liebig in der Zeitschrift Faktor 3/2018 stellt 175 Jahre Unternehmensgeschichte der Familie Benary dar, die in sechs Generationen heute vom Hauptsitz in Hannoversch-Münden aus einen weltweit agierenden Saatgut-Betrieb leitet. Ob im Kreml, im Weißen Haus Washington, am Eiffelturm in Paris, auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking: Überall blühen die Begonien aus der Saatzucht von Benary. Eine unvorstellbare Zahl von zehn Milliarden Samen geht in die ganze Welt.


Dabei war der Anfang dieser ungewöhnlichen Firmengeschichte ganz klein. Ernst Benary (1819 als achtes von neun Geschwistern geboren) absolvierte in den 1830er Jahren in Erfurt eine Gärtnerlehre und schloss eine Wanderschaft durch Halbeuropa an.

Gern erzählt wird, dass der später weltweite Handel mit Blumensamen in einer kleinen Holzkiste begann, die Ernst Benary unter seinem Bett bewahrte, wie er sie auf seiner Reise angesammelt hatte.

Über fünf Generationen bis zur heutigen sechsten, vertreten durch Frau Klaudia Benary-Redlefsen, hat sich der Betrieb entwickelt. Etwa 100 Mitarbeiter sind es am Ort, 500 in aller Welt. Angegliedert an den Betrieb ist auch ein Labor, in dem neue Kreuzungen der Pflanzen mit dem Ziel beliebter Eigenschaften entwickelt werden.

Der gut informierte und anschaulich lesbare Bericht verfolgt die schwankenden, insgesamt aber doch immer wieder sich günstig entwickelnden Betriebsereignisse, sozusagen Blütezeit auf Blütezeit. So brachte z.B. die Entwicklung der sogenannten Hybriden für den Gartenbau eine Revolution.

Natürlich haben die großen Weltkriege Produktion und Vertrieb von Blumen stark behindert. Über die schwierige Zeit des III. Reiches notiert der Bericht:
Das über ein knappes Jahrhundert aufgebaute Beziehungsgeflecht und das hohe Ansehen in der Stadt Erfurt bewahrten die Benarys vor Inhaftierung und Deportation. (Die ursprünglich jüdische Familie hatte sich christlich taufen lassen.) Allerdings übernahm das Nazi-Regime die Leitung des Betriebs und stellt von Blumenprodukten auf Gemüsesamenproduktion um. Viele Mitarbeiter waren inzwischen Opfer des Krieges geworden. Und auch die Inhaberfamilie musste - wie schon im Ersten Weltkrieg- den Tod eines ihrer Mitglieder betrauern: Heinz Benary, einziger Sohn von Heinrich, fiel im Kampf und konnte nicht, wie in ruhigeren Zeiten geplant, in die Firmenleitung einsteigen.
Aber trotz aller Krisen und Widerstände: Die Freude der Menschen an der Verschönerung ihrer Umwelt hat immer wieder eine positive Geschäftsentwicklung ermöglicht. Die Repräsentantin der heutigen sechsten Generation, seit 2006 in der Leitung des Betriebs, blickt in Liebigs Beitrag mit Stolz und Zuversicht auf die Familienleistung, die auch die Enteignung des Erfurter Stammsitzes 1951 in der DDR durch den Wechsel nach Hann.Münden überwunden hat. "Wir verkaufen jährlich weltweit zehn Milliarden Blumensamen", wird sie zitiert, "das bedeutet etwas mehr als eine Blume für jeden Erdenbürger."

Die Firmengeschichte Benary wird nicht nur durch die treffsichere Schilderung der Betriebsgeschehnisse und ihrer auch technologischen Entwicklung deutlich, sondern auch durch die mit Blüten geradezu bezaubernde Illustrierung der vielen Fotoaufnahmen von Alciro Theodoro da Silva.

So ist mehr entstanden als eine gelungene Firmenwerbung. Es ist ein Beitrag zur weltweiten Wirkungsgeschichte aus unserem Göttinger Raum.
Die Jury fand ihn geeignet im Rahmen des Stiftungszweckes und hat ihm – zusammen mit zwei weiteren Texten – den 2. Preis zugesprochen. Wir gratulieren.