Serie "Wald mit Stammbaum"

Laudatio von Elena Schrader zum 2. Preis an Jürgen Gückel

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Gückel,
"Er gilt als deutscher als die Deutschen: der Deutsche Wald. Waldbesitz galt noch bis vor wenigen Jahrzehnten als Ausweis für Wohlstand und gesellschaftliche Stellung. Wer vom Wald lebt, erntet, was Generationen vor ihm pflanzen. Und er hat Verantwortung für spätere Generationen. Er sät, was er nie ernten wird, er erntet was er nie gesät hat."

Mit diesen Worten leitet der Journalist Jürgen Gückel seine Serie "Wald mit Stammbaum" ein, die im Winter 2015 im Göttinger Tageblatt erschienen ist. Diese möchten wir in diesem Jahr mit dem zweiten Preis ehren.

Der Preisträger wurde mit seinen sieben - für eine Tageszeitung rechts ausführlichen Folgen - den Vorgaben des Stiftungs-Gründers Wolfgang Alexander in besonderer Weise gerecht. Der Autor schaffte es, mit seinen Texten dem Leser ein Thema gekonnt journalistisch und auf sehr lebendige Weise näher zu bringen, das zum Teil über Jahrhunderte in die Vergangenheit reicht und bis heute zeitlos aktuell geblieben ist.

Herr Gückel hat es sich in seinen Beiträgen zum Ziel gesetzt, uns die Besonderheiten der Forstwirtschaft in Südniedersachsen und ihre geschichtlichen Ursprünge zu verdeutlichen. Dazu stellt er mehrere Familienbetriebe und zwei für die Region typische Forstgenossenschaften vor – ergänzt durch informative Grafiken und ein erläuterndes Interview.

Der Thematik nähert sich der Autor über verschiedene Schwerpunkte: Von der Bewirtschaftung und der Geschichte der einzelnen Betriebe über unterschiedliche politische Einflüsse und diverse Generationenkonflikte bis hin zur besonderen Rolle der Frau als Forstunternehmerin. Anhand dieser Aufzählung zeigt sich bereits, wie komplex und wie vielschichtig die Forstwirtschaft ist, und wie viele vielfältige, gesellschaftspolitische und auch aktuell und generell diskutierte Fragen sie in sich vereint. Diese Komplexität einzufangen ist Herrn Gückel hervorragend gelungen.

So werden beispielsweise im dritten Teil der Serie mit dem Titel „Kurhessen-Mischung hier, exotischer Park dort" sehr gut die Herausforderungen veranschaulicht, denen sich ein Betrieb stellen muss, der in Händen mehrerer Generationen geführt wird. 

Zu Besuch auf Schloss Berlepsch erfährt der Leser, mit welch strickten Vorgaben sich der heute 69-jährige Sittich Graf von Berlepsch auseinandersetzen musste, als er Land und Forst vor 35 Jahren von seinem Onkel, einem alten Forstmeister, übernahm.

Seinen Onkel sehe er noch heute vor sich, „ganz alter Adel und mit Gehstock.“ Ertrag brachte der Wald zu dieser Zeit nicht, er wurde von der Familie als „Sparbüchse“ angesehen – viel Vorrat an alten Baumen, aber kaum junge.  
Als der Graf damals einen neuen Weg einschlagen wollte, überhäufte ihn der Onkel mit Vorwürfen. Die neu angelegten Waldwege, die zur Erschließung des Gebietes nötig waren, seinen zu breit und er habe auch noch unbepflanzte Ränder gelassen. Wer heute über diese Wege wandert, erlebt rechts und links herrliche Blütenpracht.

30 Jahre nach dem Kampf mit dem Onkel hatte der Graf einen weiteren Generationenkonflikt: Sein Sohn Fabian hatte ihn gebeten, den Wald unterhalb des Schlosses zu lichten. Nun war es der Graf selbst, der sich schwer tat, wie er selbstkritisch im Artikel zugibt. Von Baum zu Baum sei er mit dem Sohn geschritten, um zu entscheiden, welcher Baum fällt. „Da war ich richtig kleinlich“, sagt er heute. Das Schloss und seine Umgebung haben jedoch durch die Lichtung nur gewonnen.

Es sind die vielen kleinen Fakten über heimische Fichten, Eichen mit Minderheitenschutz oder die dickste Buche Deutschlands, namens „Willi-Deppe“ ¬ die übrigens in Groß Lengden steht ¬, die die Serie von Jürgen Gückel so anschaulich machen.

Doch für mich ganz persönlich ist es vor allem der generationsübergreifende Charakter der Forstwirtschaft, den mir der Preisträger durch den Einblick in das Leben regionaler Familienbetriebe näher gebracht hat.
"Er sät, was er nie ernten wird, er erntet was er nie gesät hat." Ein, wie ich finde, wunderbarer Gedanke.

Herr Gückel, vielen Dank für Ihre Einreichung und herzlichen Glückwunsch zum 2. Platz!