Kann man Literatur leben?

Laudatio von Dr. Achim Block für die Preisträgerin des ersten Preises Anja Danisewitsch

20180203 011In der Zeitschrift Faktor 3 /2017 hat Anja Danisewitsch dem Göttinger Germanistikprofessor Heinrich Detering einen Artikel gewidmet. Der Autorin gelingt es, den berühmten Literaturwissenschaftler und wachen Zeitgenossen in seiner ihm eigentümlichen Einheit darzustellen.

Kann man Literatur leben? heißt die Titelfrage und benennt damit zugleich das Element, das Deterings Beruf und Leben bestimmt: die Dichtung.

Schon als Student hat sich Detering im weitesten Sinn mit Literatur nicht nur beschäftigt, sondern selbst Texte und Gedichte geschrieben, Lyrik als Lebenselixier. Was seine Vorlesungen und Vorträge so attraktiv macht, dass ihm die Zuhörer jeden Alters zuströmen, ist die eigene Begeisterungsfähigkeit für die Sache, die er darstellt.

Ich zitiere aus dem Artikel:

Die Liste seiner Publikationen ist lang, die Liste seiner Fans sicher auch. Denn er ist nicht nur unter den Studierenden beliebt – was die vollen Hörsäle bei seinen Vorlesungen beweisen –, sondern er besitzt darüber hinaus die Gabe, Menschen für Literatur zu begeistern. Von außen betrachtet, scheint es, als habe Detering, der seit 2011 als Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung vorsteht, eine Mission zu erfüllen:

Literatur zum Leben zu erwecken. Auf alle ihm möglichen Bühnen trägt er seine eigene Begeisterung, um andere zu infizieren: ob als Professor an der Uni mit Klassikern der

Weltliteratur oder beim Göttinger Literaturherbst mit den Gedichten und "Lyrics" von Bob Dylan oder aber vor der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Kopenhagen - dann auf Dänisch.

Der weitgefächerte Aufgabenbereich des Literaturwissenschaftlers reicht von der Vermittlung klassischer Werke – Hübsch ist seine knappe Feststellung: „Goethe ist ein Phänomen. Goethe geht immer.“ bis zum persönlichen Umgang mit Autoren unserer Zeit, so z.B. mit Günter Grass, dessen graphische Gestaltungskraft ihm besonders imponiert. Aus dieser seit den 90er Jahren gepflegten Beziehung resultiert auch der Plan einer Ausstellung im künftigen  Grass-Haus.

Die Autorin klärt im persönlichen Gespräch mit Professor Detering, dass für ihn bei allen Lehr- und Forschungsverpflichtungen die akademische Freiheit die ideale Voraussetzung ist, „ohne unmittelbaren Erfolgs- und Nutzendruck“ an Texten zu arbeiten.

Und an diesem das Leben erfüllenden befreienden Umgang mit Dichtung versteht er auch seine Studenten und viele Interessierte teilhaben zu lassen.

Wir Göttinger können uns freuen, dass so wie früher durch Wolfgang Kayser und nach ihm durch Albrecht Schöne nun mit Heinrich Detering unter all den tüchtigen Germanisten wieder ein Glanzlicht für Literatur als Lebens-Mittel wirbt.

Frau Anja Danisewitsch haben wir zu danken, dass sie in angemessener Weise, mit Respekt und ohne Schmeicheltöne, sich dem Phänomen genähert hat, wie Literatur Beruf und Leben des bedeutenden Wissenschaftlers Detering bestimmt.

Die Jury der Alexander Stiftung fand diesen Beitrag lesenswert-lohnend und hat ihm den 1.Preis dieses Jahres zuerkannt.