Vom Anbeginn der Zeit - Als die Uhren in Göttingen noch anders tickten

Laudatio von Achim Block zum 1. Preis an Norman Lippert

Für uns heute ist es selbstverständlich, dass die Uhren im ganzen Land die gleiche Zeit anzeigen. Sonst könnten Verkehr und Betriebe, Terminabsprachen und auch persönliche Verabredungen nicht funktionieren. Dieser Zustand ist aber erst seit dem 1.April 1893 landesweit Realität, als die  Mitteleuropäische Einheitszeit im gesamten Deutschen Reich eingeführt wurde. Auf dieses Datum und seine Göttinger Vorgeschichte weist der Artikel des Autors Norman Lippert hin mit dem Titel "Vom Anbeginn der Zeit - Als die Uhren in Göttingen noch anders tickten", erschienen in Heft 1/2015 der Zeitschrift faktor-Magazin, eine prägnante Darstellung.

Vor der einheitlichen Zeitregelung und Uhreneinstellung hatte die erste Göttinger Sternwarte, damals in der Nicolaistraße, eine Göttinger Lokalzeit ermittelt, die sich nach dem genauen Sonnenstand des örtlichen Längengrades errechnete. Diese Zeitrechnung unterschied sich natürlich von der an Orten anderer Längengrade. Im damaligen Reichsgebiet ergab sich so eine Zeitdifferenz von ca.60 Minuten.

Die Göttinger, das lässt sich denken, haben sich nur schwer von ihrer eigenen, auf die Kirchturmuhren übertragenen Ortszeit getrennt. Aber das wurde unvermeidlich, als nach Ausweitung des Eisenbahnnetzes 1874 eine sogenannte " innere Eisenbahnzeit" festgelegt worden war, der gegenüber die Göttinger Ortszeit 6 Minuten vorausging. Vielleicht war es ja damals nützlich, um die pünktlichen Züge zu erreichen, etwas mehr Vorlaufzeit zu haben - heute hingegen kommt man ja mit eigener Verspätung meist noch zu früh ...

Im Jahre 1888 wurde für unsere Stadt eine elektrische Zentraluhranlage geplant, die mit mehreren Nebenuhren verbunden war und ab 1890 jedenfalls innerörtlich für gleiche Zeitangaben sorgte. Wenig später, wie eingangs erwähnt, kam dann 1893 die Mitteleuropäische Einheitszeit auch in Göttingen zur Geltung.

"Damit nahm auch das stadthistorische Kapitel ein Ende", schreibt der Autor mit leichter Ironie, " in dem die Stadt scheinbar ihrer Zeit voraus war."

Herr Normann Lippert, unser Autor, hat mit diesem Text wiederum (wie im letzten Jahr) ein Stück wenig bekannter Stadtgeschichte aufleben lassen und die Jury mit seiner treffsicheren und dabei leicht augenzwinkernden Darstellung erfreut. Er hatte den wohlformulierten und mit historischen Fotos illustrierten Rückblick selbst nicht in den Wettbewerb um die Preisverleihung eingebracht, sondern sein Beitrag ist, was unsere Statuten zulassen, aus dem Kreise der Jury in die Entscheidung einbezogen worden- und hat sich (wie der Text im letzten Jahr) an die Spitze der Preisgewinner gesetzt.

Wir gratulieren herzlich zum 1. Preis.